Transmissionsbänder zwischen Kultur, Gesellschaft und Wirtschaft
Es ist längst evident geworden: Die Probleme der Zukunft lassen sich mit den Paradigmen und Konzepten der Gegenwart allein nicht mehr bewältigen. Es braucht Neugier, Einfallsreichtum, Couragiertheit und auch viel innere Freiheit, um vorherrschende Denkmodelle hinter sich zu lassen. Kreativität und Innovation treten dabei meist in den Übergangszonen und an den Grenzen zwischen den unterschiedlichen Bereichen der Gesellschaft zutage. Neues entsteht dort, wo Menschen, Dinge und Ideen miteinander in Berührung kommen, die sich normalerweise gar nie austauschen würden. Die Kultursektion des Außenministeriums versteht sich dabei als eine Art Brückenbauerin entlang dieser Grenzen: Geografisch, soziokulturell und politisch. Das vorliegende Buch und Förderprogramm CREATIVE AUSTRIANS – Vordenker_innen für die Gesellschaft von morgen – ist Ausdruck dieses Selbstverständnisses.
Wir wollen mit diesem neuen Programm unterschiedliche „Welten“ miteinander in Verbindung bringen, in der Hoffnung, dass daraus etwas Kreatives und Neues entsteht. Wenn heute von „den Kreativen“ die Rede ist, dann sehr oft aus einer wirtschaftlich determinierten Perspektive. Aber der Beitrag, den kreative Menschen für die Gesellschaft leisten können, geht weit darüber hinaus. Und er gehört auch zu unserer Kultur. Wir wollen mit dieser Publikation den Diskursrahmen öffnen und theoretische Positionen ganz praktischen Anwendungen und Leistungen junger österreichischer Kreativer gegenüberstellen. In vier Kapiteln, die zweimal völlig unterschiedlich wiederkehren:
Behandelt werden Fragen des Verhältnisses der Kreativität zu Zeitgeist, Gesellschaft, Verantwortung und Wirtschaft. Einmal aus einer theoretischen Perspektive mit Autor:innenbeiträgen kreativer österreichischer Denker:innen und ein zweites Mal, indem wir in Portraits eine Reihe jener „Creative Austrians“ vorstellen, die über diese Themen nicht nur theoretisch nachgedacht haben, sondern bereits ganz praktische Lösungen und Konzepte entwickelt haben, mit denen sie einen konkreten Beitrag zur Lösung der Probleme der Gegenwart geleistet haben. Lösungen, die im Weltmaßstab genauso Anwendung finden können wie auch ganz kleinräumig im kommunalen Bereich.
Der Bogen wird dabei bewusst weit gespannt: Von kulturtheoretischen und philosophischen Positionen mit Beiträgen etwa von Gerald Bast oder Peter Strasser, die sich ganz grundsätzlich mit Fragen des Einflusses vorherrschender Paradigmen auf die Entfaltung der Kreativität beschäftigen, über gesellschaftliche Untersuchungen, wie etwa im Beitrag von Daniel Erlacher, über den Einfluss kreativer Mediennutzungen auf die Demokratien der Zukunft, bis hin zu Überlegungen wie man mit kreativen Konzepten jenen Herausforderungen begegnen kann, vor denen wir mit global begrenzten Ressourcen bei gleichzeitigem Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum unausweichlich stehen werden.
Dieser theoretische Bogen wird mit einer Auseinandersetzung über das unmittelbare Verhältnis von Kreativität und Wirtschaft geschlossen, die aufzeigt, dass „Kreativwirtschaft“ weit mehr generieren kann als lediglich Profitmaximierung, der viele Kreative heute ohnehin sehr skeptisch gegenüberstehen, wie auch die pointierte Kritik von Eric Poettschacher deutlich macht. Was es praktisch bedeuten kann, wenn man sich mit dem Zeitgeist kreativ-kritisch auseinandersetzt, zeigen etwa die Arbeiten von Manu Luksch, die mit Film- und Videokunst-Aktionismus das Paradigma, Sicherheit durch maximale Überwachung herstellen zu wollen, kritisch beleuchtet.
Wenn es um das Verhältnis von Kreativität und Gesellschaft geht, zeigt sich, das oft in sehr einfachen Ideen enormes Potenzial stecken kann: Wie beispielsweise in der Datenbankplattform „Use potential“ von Julia Bachler, mit der die individuellen Fähigkeiten und Qualifikationen von Flüchtlingen erfassbar gemacht werden. Wie man mit kreativen Lösungen Chancen schafft, Verantwortung für die Gesellschaft zu tragen, zeigen Projekte wie das Dürre-App SATIDA von Markus Enenkel, das mit Hilfe freiwilliger Dateneingaben von Smartphonenutzer_innen einer Region Prognosen von großer Genauigkeit über bevorstehende Dürre- oder Hungerkatastrophen erstellen kann, die mit bisher verfügbaren Satellitenprognosemodellen nicht möglich wären. Diese Daten können internationalen Hilfsorganisationen entscheidende Informationen für die rechtzeitige und ausreichende Disposition von Hilfsgütern liefern. Und dass kreative Wirtschaftsideen nicht nur für die Produzenten, sondern auch für ihre Kunden von wirtschaftlichem Nutzen sein können, zeigen Projekte wie „simon – Das Minikraftwerk für Jedermann“ von Simon Niederkircher und Michael Galhaup auf. Das sind nur einige Beispiele jener Arbeiten von jungen österreichischen Kreativen, die in diesem Band vorgestellt werden.
Abgerundet wird dieser Band durch einen umfassenden Serviceteil, der einen detaillierten Überblick über Förderungen, Studienangebote, Communities, Netzwerke und Interessensgruppen von und für Kreative in Österreich bietet. Von Seiten der österreichischen Auslandskultur wollen wir viele „Creative Austrians“ bei ihren internationalen Aktivitäten in den kommenden Jahren als Partner:innen und mit Partner:innen in der Welt begleiten, um Beiträge als Brückenbauer:innen in die Zukunft zu leisten.
Creative Austrians – Das Buch / PDF dt.
Creative Austrians – The book / PDF engl.